Bei einer Veranstaltung unter dem Motto „So geht Stadtrat“ wandten sich die drei Stadträte der Ökoliste Tittmoning Hans Glück, Peter Wembacher und Robert Lex an Mitglieder und Unterstützer, aber auch an weitere engagierte Tittmoninger Bürgerinnen und Bürger, die mehr über die Stadtratsarbeit wissen wollten oder sich mit dem Gedanken tragen, bei der im kommenden Frühjahr anstehenden Kommunalwahl zu kandidieren.
Zu Beginn ihrer Ausführungen gingen die Stadträte auf organisatorische Angelegenheiten ein wie den Ablauf der ersten Stadtratssitzung nach einer Kommunalwahl. Bei dieser sogenannten „konstituierenden Sitzung“ würden Stadtratsmitglieder für das zweite und dritte Bürgermeisteramt sowie als Referenten für bestimmte Sachthemen und die Mitglieder der Ausschüsse gewählt. Die Parteien seien dort jeweils gemäß ihrer Stimmenverhältnisse vertreten, den Vorsitz habe mit Ausnahme des „Rechnungsprüfungsausschusses“ der Bürgermeister. Da dieser Ausschuss den Umgang des Bürgermeisters mit den städtischen Finanzen kontrolliere, übernehme hier ein anderes Stadtratsmitglied den Vorsitz. Neben den Ausschüssen gebe es noch spezielle Arbeitskreise wie z.B. den AK Seebad oder den AK Energie.
Bei den monatlich stattfindenden Sitzungen des Stadtrats gebe es einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil. Trotz der gesetzlichen Vorgabe, dass im nichtöffentlichen Teil ausschließlich Personal- und Grundstücksangelegenheiten sowie Angelegenheiten der nationalen Sicherheit behandelt werden dürfen, komme es immer wieder mal vor, dass sich ein Thema auf der nichtöffentlichen Tagesordnung fände, obwohl es da nichts zu suchen habe. In so einem Fall müsse ein Antrag zur Geschäftsordnung gestellt werden, um den Fehler zu korrigieren, erläuterte Peter Wembacher.
Knapp eine Woche vor einer Sitzung versende das Rathaus die Tagesordnung mit den sogenannten Beschlussvorlagen und fallweise weiteren nötigen Unterlagen. Die drei Stadträte der Ökoliste würden sich regelmäßig vorher treffen, um untereinander oder auch zusammen mit fachkundigen Parteimitgliedern die einzelnen öffentlichen Tagesordnungspunkte zu beraten. Nichtöffentliche Themen könnten die Stadträte selbstverständlich nur unter sich besprechen. Es herrsche kein Fraktionszwang, so dass jeder nach seinem Gewissen abstimmen könne, nur Enthaltungen seien nicht möglich. An dieser Stelle merkte Hans Glück an, er habe anhand der Sitzungs-Protokolle der letzten Jahre festgestellt, dass entgegen des Vorwurfs des Bürgermeisters, die Ökoliste sei eine „Dagegen“-Partei, diese zu 95 Prozent den Beschlüssen zugestimmt habe.
In der Sitzung könne jedes Stadtratsmitglied Fragen stellen und Argumente anführen, sobald man das Rederecht erhalten habe. Damit bestimmte Themen auf die Tagesordnung kommen, können die Fraktionen entsprechende Anträge stellen. Diese müssten spätestens eine Woche vor der Sitzung im Rathaus eingehen, damit sie behandelt werden können.
Unter dem letzten Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ könnten die Stadträte weitere Themen ansprechen, die sich nicht auf der Tagesordnung finden. So habe Hans Glück in der letzten Sitzung darauf hingewiesen, dass der Grünordnungsplan beim Edeka-Markt immer noch nicht umgesetzt sei, obwohl schon vor Jahren die hässliche graue Rückwand des Gebäudes hinter einer Hecke hätte verschwinden müssen, um die Blickbeziehung zur Burg und das Stadtbild nicht weiter zu beeinträchtigen.
Die Frage eines Zuhörers, ob es Einführungsseminare seitens der Stadt für die Stadtratsarbeit gäbe, musste Glück verneinen, verwies aber darauf, dass manche Parteien Seminare anböten. „Das wichtigste Hilfsmittel für die Stadtratsarbeit ist sowieso der gesunde Menschenverstand“, meinte er vergnügt.
Als Beispiel für mitunter kuriose Situationen im Stadtrat schilderten die Stadträte, wie letztes Jahr der Bürgermeister einen Antrag der Ökoliste zum Verbot von Glyphosat und drei Insektiziden auf kommunalen Flächen in unzulässiger Weise, weil ohne Rücksprache mit den Antragsstellern, geändert habe. Die Änderung betraf die Herausnahme des Insektengiftes Thiacloprid aus dem Verbot, weil der Bürgermeister der Ansicht war, dass dieses nicht bienengefährlich sei. Da er nur über diesen eigenmächtig geänderten Antrag abstimmen ließ, waren die drei Stadträte der Ökoliste gezwungen, dagegen zu stimmen, weil sie sich sonst für den Einsatz dieses Nervengiftes ausgesprochen hätten.
Spätere Rückfragen der Ökoliste bei Verwaltungsjuristen ergaben, dass das Verhalten der Stadtverwaltung „völlig am Kommunalrecht vorbeigehe“ wie eine Juristin schrieb. Rechtlich korrekt wäre gewesen, erst über den Original-Antrag und danach über den Antrag des Bürgermeisters abstimmen zu lassen. Ein anderer Jurist bezeichnete es als „massive Störung des Vertrauensverhältnisses“, wenn Stadträte damit rechnen müssten, dass ihre Anträge ohne Rücksprache verändert werden und nur solche zur Abstimmung kommen.
Allerdings konnte sich die Ökoliste schlussendlich doch noch mit ihrem Antrag zum Verbot des dritten Insektizids durchsetzen, mit der Hilfe von unerwarteter Seite: vor einigen Wochen erst haben die EU-Mitgliedsstaaten entschieden, dass Thiacloprid nicht mehr verwendet werden darf wegen seiner erwiesenen Schädlichkeit für Bienen und den menschlichen Hormonhaushalt. Und so konnten die drei Stadträte zum Ende der Veranstaltung erfreut feststellen: „Die EU gibt der Ökoliste Recht!“
Hier ein weiterer Beitrag dazu: EU-Experten teilen Meinung der Ökoliste